Die Arbeitsverhältnisse haben sich in den letzten Jahren zu Ungunsten der Arbeitnehmer verändert. In einem Container in der City sind vorgeschobene Kündigungsgründe real in Augenschein zu nehmen – ein Panoptikum erschreckender Banalitäten, eine Geisterbahn gesellschaftlicher Absurdität.
TRIPLE A besteht aus drei Teilen: dem Container der grausamen Kündigungen, der Ankündigung eines Mahnmals für Kündigungsopfer und Langzeitarbeitslose und der Zuckerskulptur „Bröckelnde Mittelschicht” im Rathausfoyer.
Im Container zu besichtigen sind: zwei Pfandbons (Rewe) // ein gebrauchtes Kinderbett // eine Frankiermaschine // Papier im Wert von 3 Cent (80 gr.) // Handy mit Ladegerät (Nokia) // sechs Maultaschen (Bürger) // eine Frikadelle (Aldi) // ein Bienenstich (Bäckerei Essmann) // drei Fischbrötchen (Wochenmarkt Münster) // drei Kiwis (Wochenmarkt Münster) // etwas Brotaufstrich (JA! – Erdbeermarmelade) // eine Packung Frischkäse (Philadelphia) // ein Büschel grauer Haare
Alles, was man an diesem Ort zu sehen bekommen, ist maßlos übertrieben. Nichts steht im richtigen Verhältnis. Vor wenigen Tagen war noch offen, ob ich eine Erlaubnis für den Container auf dem Syndikatplatz bekommen würde. Unter dem Container befindet sich eine Tiefgarage, der OB und andere wichtige Menschen parken hier, alles ist unterhöhlt. Der Kran mit dem Container am Haken überschritt das erlaubte Gewicht. Sämtliche Augen mussten zugedrückt werden. Ein Riesenakt für drei Kiwis, ein Büschel grauer Haare, etwas Brotaufstrich und einem Handy-Ladegerät, möchte man meinen, vollkommen unverhältnismäßig. Und doch – man kann diese Unverhältnismäßigkeit steigern, enorm steigern, gar vertausendfachen. Ich meine damit unseren deutschen Arbeitsalltag.
Initialzündung für die Installation war der Fall eines Arbeiters in NRW, der sein Handy am Arbeitsplatz auflud. Sein Chef sah darin eine Straftat und kündigte dem 51-Jährigen fristlos nach mehr als 14 Jahren im Unternehmen. Dabei ging es um umgerechnet 0,014 Cent. Wegen dieses Ein-Cent-Betrags wurde allen Ernstes deutsche Gerichte bemüht und ein Vater von drei Kindern musste plötzlich zusehen wie er seine Miete bezahlt.
Die Regeln des Alten Testaments waren streng, oft grausam. Aber das deutsche Arbeitsrecht ist – in einem Punkt jedenfalls – sehr viel strenger. Im Alten Testament steht ein Satz über den so genannten Mundraub: “Wenn du in deines Nachbarn Weinberg gehest, so magst du Trauben essen bis du satt bist, aber du sollst nichts in dein Gefäß tun.” Von dieser alten Weisheit, von dieser kleinen Grosszügigkeit ist im Arbeitsrecht nichts mehr übrig geblieben, wir sind weit dahinter zurückgefallen!
Kein Vergehen scheint zu gering, kein Gegenstand zu banal, um im Bedarfsfall einen Arbeitsvertrag aufzuheben und einen Mitarbeiter loszuwerden. Menschen werden wegen absolut lächerlicher Lappalien in die Arbeitslosigkeit geschickt. Die Gerichte strafen die Arbeitnehmer für kleinste Vermögensdelikte mit der außerordentlichen Kündigung; das bedeutet oft – mit Existenzvernichtung. Solche Kündigungen münden oft in die Langzeitarbeitslosigkeit und diese gesamtwirtschaftlich betrachtet zu schrumpfender Mittelschicht. Diesen Dreiersprung nimmt sich ”Triple A” vor: am Augenfälligsten über einen knallroten Container, zum Anderen mit der Ankündigung eines Mahnmals für Kündigungsopfer und Langzeitarbeitslose bis zur Zuckerskulptur „Bröckelnde Mittelschicht” in der Eingangshalle des Rathauses, gestaltet von Ortwin Scheffler (Konditorei Issel).
Die Installation stellt sich auf die Seite der Menschen, die keine Lobby haben und nur selten die Chance, sich zu wehren geschweige gehört zu werden. Stellvertretend für all diese kaum wahrnehmbaren Stimmen stand die musikalische Begleitung von Dr. Ryszard Moroz mit seinem extrem leisen Clavichord bei der Eröffnung am 24. April 2012. Der Arbeitsrechtler Dietrich Manstetten und der psychologische Berater Wolfram v. Brockdorff (Bonn) standen vier Tage lang zu kostenlosen Beratungsgesprächen für die Betroffenen bereit.
Dank dem Paritätischen, insbesondere Frau Markerth, an ver.di, namentlich Frank Biermann, dem DGB und der IG Metall, den Domfreunden und vor allem der Fa. Geuer International, euromovers für den Container.
Viele gesellschaftskritische Projekte werden heutzutage mit einem Hungerlohn gewürdigt, viele wichtige Projekte sind überhaupt nicht mehr realisierbar. Damit lassen sich Städte und Kommunen eine Riesenchance entgehen, bringen ihnen solche Projekte doch auch einen Gewinn, indem sie die kritische Wahrnehmung intakt halten. Und kritische Wahrnehmung ist gesund, weil sie den Dialog fördert, und der führt bisweilen zu verblüffenden Lösungsansätzen.
Medienberichte
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Deutschland Radio Kultur
WN Interview Thomas Nufer
Berliner Zeitung
Hallo Münster
Junge Welt
Westline
Westf. Nachrichten...
Münsterische Zeitung...
WN Thomas stellt vor...